16.07.2002

Pressekonferenz der Vossloh Aktiengesellschaft

Vorsitzender des Vorstandes der Vossloh AG, Werdohl
zur Pressekonferenz am 16.7.2002
im Industrieclub, Düsseldorf


Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie, auch im Namen meiner Kollegin, Frau Milagros Caiña-Lindemann, sehr herzlich zu unserem heutigen Gespräch. Wir freuen uns über Ihr Interesse an der jüngsten Entwicklung unseres Unternehmens.

Als wir vor knapp drei Monaten in dieser Runde zusammen saßen, haben wir Sie über unser Vorhaben informiert, Vossloh konsequent neu auszurichten und das Unternehmen zu einem Verkehrstechnologie-Konzern weiterzuentwickeln. Die damit verbundene klare Fokussierung hatte die Trennung von unserer Lichttechnik zur Folge.

Am 28. Mai 2002 haben unsere Aktionäre dem ihnen in der Hauptversammlung vorgestellten Konzept der Veräußerung der Sparte Lichttechnik zugestimmt. Mit dem bereits Mitte Mai 2002 erfolgten Verkauf der Vossloh Elektro GmbH an die japanische Matsushita Electric Works, Ltd. und der Genehmigung des Kaufvertrags durch den Aufsichtsrat wurden wesentliche Voraussetzungen für die strategische Neuausrichtung des Konzerns geschaffen.

Gestatten Sie mir, dass ich mich an dieser Stelle ausnahmsweise einmal selbst zitiere. Ich habe in der Hauptversammlung vor gerade einmal sieben Wochen unseren Anteilseignern versprochen: „Wir werden die Neuausrichtung konsequent angehen und die aus dem Verkauf der Lichttechnik freiwerdenden Mittel schnellstmöglich reinvestieren.“

Wir haben Wort gehalten! Mit dem gestern Abend bereits ad hoc mitgeteilten Abschluss eines Vertrags zum Erwerb von 100 % der französischen Cogifer-Gruppe für 296 Millionen Euro haben wir im wahrsten Sinne des Wortes eine bedeutende Weichenstellung auf dem Weg zu „Vossloh neu“ erreicht. Im Gegenzug trennen wir uns zum Preis von 140 Millionen Euro von unserem rund 45 % hohen Anteil an dem österreichischen Weichenbauer VAE. Um unser derzeitiges Portfolio bei den Schienenfahrzeugsystemen zu erweitern, verhandeln wir darüber hinaus über die Akquisition eines Unternehmens, das sich auf elektrische Komplettausrüstungen für öffentliche Verkehrsmittel spezialisiert hat.

Die Realisierung dieser Transaktionen führt trotz des damit verbundenen Umsatzrückgangs zu einer deutlichen Steigerung des Konzernüberschusses und nahezu zu einer Verdoppelung des ursprünglich für 2002 geplanten Ergebnisses je Aktie von 1,74 Euro auf 3,40 Euro. In 2001 belief sich dieser Wert übrigens noch auf 1,20 Euro.



Meine Damen und Herren,

durch den Kauf von Cogifer können wir uns zusätzlich als Systemanbieter und Dienstleister für die Schieneninfrastruktur positionieren, der in der Lage ist, Weichentechnologie nach allen weltweit geltenden Standards sowie Wartung und Instandhaltung von Bahnnetzen anzubieten.

Mit dem Erwerb der Cogifer-Gruppe übernehmen wir in einem attraktiven Markt mit einer sehr begrenzten Anzahl von großen Wettbewerbern eine erweiterte industrielle Rolle. Und da Vossloh die wesentlichen Kernkomponenten des Fahrwegs industriell beherrscht, können wir das volle Marktpotenzial ausnutzen, das vor allem in Europa und hier besonders in den Beitrittsländern Jahr für Jahr ansteigen wird. Unser Ziel ist klar definiert: Wir wollen als Spezialanbieter in hochmargigen Segmenten tätig sein, wesentliche Marktanteile besetzen und als Marktführer unabhängig agieren.

Die Cogifer-Gruppe untergliedert sich in das Weichenbau-Unternehmen Cogifer SA und in die Gleisbau-Gesellschaft Cogifer TF, deren Umsätze etwa gleich hoch sind. Insgesamt plant die Gruppe für das Jahr 2002 mit 2.350 Mitarbeitern einen Umsatz von etwa 331 Mio. Euro und ein EBIT von 27,3 Mio. Euro.

Cogifer SA ist Ende der siebziger Jahre aus dem Zusammenschluss der Weichenbau-Werke von De Dietrich (Reichshoffen) und Arbed (Fere en Tardenois und Kihn) entstanden. Von 1985 bis 1997 waren die Aktien der Cogifer SA an der Pariser Börse notiert. Cogifer ist nach VAE der weltweit zweitgrößte Weichenlieferant.

Cogifer SA beschäftigt heute in den beiden Stammwerken Reichshoffen und Fere en Tardenois sowie in Fertigungsstätten in zwölf Ländern rund 1.100 Mitarbeiter. 85 % des Umsatzes werden außerhalb von Frankreich erwirtschaftet.

Das Produktspektrum von Cogifer SA umfasst neben Standardweichen insbesondere Hochgeschwindigkeitsweichensysteme, die in Frankreich, Belgien, Korea, Italien und Spanien im Einsatz sind. Darunter befinden sich auch Weichen, auf denen der TGV den Geschwindigkeits-Weltrekord mit 501 km/h erzielte. Cogifer ist nach VAE der zweitgrößte Anbieter für Straßenbahnweichen. Darüber hinaus hat das Unternehmen Spezialweichen u.a. für das Trägersystem der Ariane-Rakete in Französisch-Guayana mit einer Achslast von 89 Tonnen entwickelt.

Rund 10 % ihres Umsatzes erzielt die Cogifer SA mit signaltechnischen Komponenten. Darunter sind jährlich mehr als 1.500 Weichenantriebe für die französische Staatsbahn SNCF bzw. für Nahverkehrsbetriebe in Frankreich. Darüber hinaus hat Cogifer SA Weichenüberwachungssysteme entwickelt, die eine bedarfsgestützte Wartung von Weichen erlauben und damit die Life-Cycle-Kosten positiv beeinflussen.



Meine Damen und Herren,

die Strategie von Vossloh im Bereich Schieneninfrastruktursysteme sieht vor, neben den Schienenbefestigungen nun auch die Weiche als integrierten industriellen Systembaustein zu beherrschen. Der Erwerb von Cogifer bietet dafür sehr gute Voraussetzungen: Das Weichengeschäft wird weltweit von der französischen und der deutschen Weichentechnologie beherrscht. Cogifer ist in der Lage, beide Technologien anzubieten. Das Unternehmen ist übrigens auch bei Hochgeschwindigkeitsstrecken der Deutschen Bahn beteiligt. Darüber hinaus werden wir Synergien im Vertrieb nutzen und gemeinsam neue Dienstleistungen wie etwa den Ausbau der Weichenlogistik entwickeln.

Nun zu Cogifer TF, einer rechtlich unabhängigen Schwestergesellschaft der Cogifer SA. Cogifer TF ist im Wesentlichen entstanden aus der Zusammenführung von zwei von Cogifer erworbenen Gleisbauunternehmen, Dehe und Montcocol. 1996 hat Cogifer mit Spie Drouard (heute AMEC) das Gemeinschaftsunternehmen ETF gegründet, das den Gleisbau und Instandhaltungsmarkt der SNCF bedient.

Neben dem reinen Gleisbau steht bei Cogifer TF die Gleisinstandhaltung im Vordergrund, die heute rund drei Viertel des Umsatzes ausmacht. Derzeit beschäftigt das Unternehmen etwa 1.250 Mitarbeiter. Cogifer TF ist der Marktführer bei Gleisbau und -instandhaltung in Frankreich, Belgien und Luxemburg. Daneben gibt es Schlüsselkontrakte wie die Instandhaltung des Eurotunnel-Gleisnetzes, die Cogifer mit 50 Mitarbeitern von Dünkirchen aus betreibt. Darüber hinaus ist das Unternehmen neben der SNCF Marktführer bei Industriebahnen in Frankreich und erfolgreich im Projektgeschäft mit Gleisanlagen für Straßenbahnen bzw. Stadtbahnsysteme in Europa.

Unsere Strategie sieht vor, dieses Dienstleistungsgeschäft in Frankreich und Belgien auf andere europäische Länder zu übertragen und zu einer Wachstumsbasis durch weitere Akquisitionen zu machen. Wir denken dabei auch an die Zusammenarbeit mit Partnern.



Meine Damen und Herren,

über ihre 50%ige Beteiligung an der VAE Holding GmbH ist die Vossloh AG durchgerechnet zu rund 45 % an der VAE AG beteiligt, dem weltweit größten Hersteller von Weichensystemen. Partner in dem Gemeinschaftsunternehmen ist die voestalpine Bahnsysteme GmbH, eine Tochter der Voest-Alpine AG.

Die Antwort auf die Frage, 45 % an der VAE zu behalten oder 100 % an der Cogifer-Gruppe zu erwerben, ist uns nicht schwer gefallen. Wir verfolgen nun einmal im Geschäftsfeld Gleis die Strategie, alle Komponenten des Fahrwegs durch mehrheitlich kontrollierte Unternehmen abzudecken. Die Beteiligung an der börsennotierten VAE AG über ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen bietet nicht die Führungsmöglichkeiten, um in flexibler und optimaler Weise die strategischen Optionen in diesem Geschäftsfeld zu nutzen. Durch den Erwerb von Cogifer werden wir dagegen in die Lage versetzt, sämtliche Kernkomponenten des Gleisoberbaus aus einer Hand und in Eigenregie abzudecken. Deshalb veräußert die Vossloh AG ihre VAE-Anteile an die voestalpine Bahnsysteme GmbH.

Soweit zu den Veränderungen unseres Portfolios im Geschäftsbereich Schieneninfrastruktur.

Unser Ziel ist es jedoch, neben der Stärkung unserer guten Positionierung im Bereich Schieneninfrastruktursysteme auch die anderen Bereiche der Bahntechnologie zu stärken. In diesem Zusammenhang stehen wir – wie bereits erwähnt – in Verhandlungen zur Akquisition eines Unternehmens aus dem Bereich Schienenfahrzeugsysteme.



Meine Damen und Herren,

welche finanzwirtschaftlichen Auswirkungen ergeben sich nun aus diesen Transaktionen einschließlich der Veräußerung der Lichttechnik? Der Umsatz wird sich im Geschäftsjahr 2002 auf voraussichtlich 703 Mio. Euro gegenüber ursprünglich geplanten 914 Mio. Euro reduzieren. Der Konzernüberschuss dürfte sich dennoch in 2002 von ursprünglich erwarteten 25,0 Mio. Euro auf rund 49 Mio. Euro nahezu verdoppeln. Dies gilt auch für das Ergebnis je Aktie, das sich von 1,74 Euro auf 3,40 Euro entwickeln sollte. Gegenüber dem Geschäftsjahr 2001 (1,20 Euro) entspricht diese Entwicklung sogar fast einer Verdreifachung.

Zur Erläuterung: Die Vollkonsolidierung der VAE-Gruppe bei einer Beteiligung von rund 45 % bewirkt, dass Umsatz und EBIT der VAE-Gruppe zu jeweils 100 % in unsere Konzern-Darstellung eingehen. Beim Konzern-Jahresüberschuss sind dagegen lediglich 45 % des Jahresüberschusses der VAE-Gruppe einzubeziehen. Da die angekündigten Akquisitionen zu 100 % erworben werden bzw. werden sollen, gehen auch deren vollständige Ergebnisse in den Konzern-Jahresüberschuss ein.

Im Jahr 2003 wird das Konzernergebnis mindestens auf dem Niveau von 2002 liegen, wobei sich auch hier Abgangsgewinne und Entkonsolidierungseffekte insgesamt positiv auswirken. Im Jahr 2004 soll der neu ausgerichtete Vossloh-Konzern dann im eingeschwungenen Zustand einen Umsatz in Höhe von knapp 1 Mrd. Euro allein aus der heutigen Bahntechnologie erzielen und einen Jahresüberschuss von gut 55 Mio. Euro ohne Sondereffekte ausweisen, d.h. aus dem rein operativen Geschäft heraus erreichen. Auf dem Ergebnisniveau von 3,40 Euro je Aktie soll dann die weitere Entwicklung aufbauen, von der wir uns noch einiges versprechen.

In unserer ursprünglichen Planung für das Jahr 2002 hatten wir eine Konzern-Bilanzsumme von 888,3 Mio. Euro vorgesehen. Sie wird sich im Zuge der geplanten Transaktionen auf 795 Mio. Euro verringern.

Nach Abschluss dieser Transaktionen wird das Eigenkapital mit 278,6 Mio. Euro rund 35 % der Bilanzsumme repräsentieren und damit trotz des Wegfalls der bislang enthaltenen Anteile Dritter auf dem Niveau des Vorjahres liegen.

Die Netto-Finanzschulden des Konzerns, d.h. die Bankverbindlichkeiten abzüglich liquider Mittel, beliefen sich in der Planung von „Vossloh alt“ für das Jahr 2002 auf 222,2 Mio. Euro. Sie sollen sich auf rund 196 Mio. Euro verringern. Beim Net Gearing wird trotz dieser Transaktionen damit eine Verbesserung von rund 74 % in 2001 auf nunmehr etwa 70 % erwartet.

Dies zu den finanzwirtschaftlichen Aspekten. Auch wenn die uns vorliegenden Rechtsgutachten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Veräußerung der Beteiligung an der VAE Holding und der Erwerb der Cogifer-Gruppe nicht der Zustimmung der Hauptversammlung der Vossloh AG bedürfen, so hat sich der Vorstand dennoch aus Gründen rechtlicher Vorsorge für die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung entschieden. Sie wird am 18. September 2002 in Düsseldorf stattfinden.

Soweit, meine Damen und Herren, die jüngsten Schritte auf dem Weg zum Verkehrstechnologie-Konzern Vossloh. Durch Konzentration auf Spezialmärkte mit hoher Ertragskraft sowie Dienstleistungen mit hohem Kundennutzen streben wir eine Sonderstellung gegenüber den Großen wie Alstom, Bombardier oder Siemens an. Anders als bei den Wettbewerbern, die aufgrund ihrer Größe Schwankungen in den Erträgen aus ihrem Projektgeschäft hinnehmen können, steht bei Vossloh die Nachhaltigkeit aller Geschäftsfelder sowie eine überdurchschnittliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals im Vordergrund. So streben alle Geschäftsfelder in ihren jeweiligen Spezialmärkten die Kostenführerschaft durch kontinuierliche Prozessverbesserungen an.

Über unsere entsprechenden Aktivitäten im Schieneninfrastrukturbereich habe ich Sie bereits ausführlich informiert. Im Zuge der Liberalisierung des Schienenverkehrs in Europa ergeben sich auch für unsere anderen Geschäftsfelder deutliche Wachstumsmöglichkeiten. Bei den Lokomotiven haben wir dies in den vergangenen beiden Jahren dadurch eindrucksvoll dokumentiert, dass wir nicht nur bei bestehenden Marktteilnehmern, sondern auch bei neuen Wettbewerbern und Leasingunternehmen umfangreiche Aufträge für Dieselloks platzieren konnten. Gerade die wirtschaftliche und umweltfreundliche Dieseltraktion der Vossloh Schienenfahrzeugtechnik ist einer der Wachstumsmotoren für den grenzüberschreitenden Güterverkehr in Europa. Der jüngste Großauftrag der Schweizer Bundesbahnen über zunächst 59 Loks im Wert von knapp 100 Mio. Euro, über den wir in der vergangenen Woche berichtet haben, unterstreicht die große Nachfrage nach unseren Fahrzeugen.

In unserem Geschäftsbereich Systemtechnik verfolgen wir das strategische Ziel, den Betreibern und den Infrastrukturunternehmen leistungsfähige Systeme und Software zur Optimierung ihrer Geschäftsprozesse zur Verfügung zu stellen. Damit verbunden ist auch der Aufbau eines Angebots von Beratungsleistungen, bei dem auch auf das Know-how der anderen Geschäftsfelder zurückgegriffen wird. Weiteres Wachstum erwarten wir zudem bei den stationären und mobilen Fahrgastinformationssystemen. Hier verfolgen wir eine Strategie der aktiven Marktkonsolidierung.



Meine Damen und Herren,

unser Fazit für die vergangenen Wochen lautet: Viele reden über Neuausrichtung – wir setzen sie zügig und wertsteigernd um. Mit der Veräußerung der Lichttechnik haben wir die angekündigte Konzentration auf Verkehrstechnologie erreicht. Die angekündigte Reinvestition des Veräußerungserlöses in den Ausbau der margenstärkeren und wachstumsträchtigeren Verkehrstechnologie läuft. Das Ergebnis je Aktie verdoppelt sich nahezu gegenüber dem bisherigen Plan für 2002, das Net-Gearing verbessert sich, die Eigenkapitalquote bleibt gegenüber 2001 trotz des Wegfalls von Minderheitenanteilen unverändert. Hinzu kommt eine Verbesserung der Risikoposition durch weniger volatile Geschäftsfelder und durch das Erreichen von kritischen Größen in den einzelnen Geschäftsfeldern.

Aufreibende Wochen und Monate liegen hinter uns. Doch wir sind dabei auf den Geschmack gekommen. Deshalb werden wir auch weiterhin unsere Geschäftsfelder gezielt durch Akquisitionen und Partnerschaften ausbauen. Denn an dem Ziel, für die gesamte Vossloh-Gruppe bis 2004 eine Umsatzgrößenordnung von etwa 2 Mrd. Euro zu erreichen, halten wir fest. Sie können also in den kommenden beiden Jahren von weiteren wesentlichen Transaktionen ausgehen.

In diesem Sinne: Auf ein baldiges Wiedersehen!